Na gut, nicht das ganze Boot, aber zumindest das Vorschiff – unser Schlafzimmer. Und das kam so: Als wir unseren Segeltörn von Fourni nach Samos gemacht haben, sind wir bei ordentlicher Welle hart am Wind gefahren. Als Konsequenz sind regelmäßig Wellen über unseren Bug geschwappt. Und leider an einigen Stellen auch durch das Deck hindurch. An mehreren Stellen fanden wir unser Bett hinterher nass vor. Dieses Problem muss natürlich möglichst schnell angegangen werden.
Als Michis Eltern wieder abreisen, ziehen wir erneut in die Samos Marina bei Pythagorio um. Hier haben wir Platz und Ruhe zum Arbeiten und das Marinegeschäft in fußläufiger Erreichbarkeit. Die Bugkabine ist noch mit alten Verkleidungen ausgestattet, die vermutlich genauso alt wie das Boot sind. Die Deckenverkleidung wellt sich bereits, was ebenfalls ein Zeichen für die Undichtigkeit im Deck ist. Um an die Schrauben der Decksbeschläge heranzukommen, muss die Verkleidung weg.
Ich bin mehr als froh darüber, dieses widerliche Teil
endlich herauszureißen. Auf der Innenseite ist es ganz schwarz und gammlig,
darunter kommt Schimmel zum Vorschein. Wenn wir jetzt eh schon an die Bugkabine
heranmüssen, dann möchte ich gleich alles Alte entfernen. Mit Feuereifer reiße
ich alles heraus, was da ist. Alle Holzleisten und den Schrank schraube ich ab,
verklebte Verkleidung entferne ich mit Gewalt. Michi schlägt die Hände über dem
Kopf zusammen, sieht er doch später einiges an Arbeit auf uns zukommen.
Nun liegt sie nackt vor uns, die Bugkabine. Das rohe, raue GFK zu allen Seiten, braune Klebereste, schwarzer Schimmel. Darin haben wir die letzten Wochen geschlafen, das ist keine schöne Vorstellung. Doch was machen wir jetzt? Es soll nicht zu aufwendig sein, nicht zu teuer, aber so lassen möchte ich es auch nicht. Selbst wenn ich es schön streiche, blicke ich auf diverse Schrauben und eine gewellte Decke. Ich möchte es doch auch hübsch haben hier drinnen.
Bis wir uns entscheiden, schraubt Michi mit meiner Hilfe alle Decksbeschläge am Vorschiff ab und ich überstreiche die Wände und Decke mit übriger weißer Bilgenfarbe. So sieht es gleich etwas besser aus und ich fühle mich wohler hier drinnen. Dann dichten wir die Löcher der Decksbeschläge neu ab und schrauben sie wieder fest. Beim Abspritzen des Decks können wir kein Wasser im Boot mehr entdecken. Der wichtige, praktische Teil ist nun erledigt. Der nächsten wilden Fahrt steht nichts mehr im Wege.
Am dritten Tag der Umbauaktion nehmen wir uns noch einmal einen Mietwagen und fahren zum Holzhändler in der Mitte der Insel. Wir wollen die Decke mit dünnem Schichtholz wieder verkleiden. Bevor wir uns das Holz zuschneiden lassen, drehen wir noch eine Runde und schauen, was es sonst noch für Holz gibt. Und ich habe Glück: Ganz in der Ecke entdecken wir Nut-Feder-Holz aus Kiefer. Es war mein Wunsch, die Seitenwände mit Holzleisten zu verkleiden und Michi meinte wenig begeistert: „Na gut, wenn du irgendwo das passende Holz findest…“. Und hier ist es! Jetzt bekomme ich die Verkleidung meiner Träume. So begeistert, wie ich gerade beim Holzhändler herumtanze, war ich früher im H&M, wenn überhaupt.
Mit dem Auto geht es weiter zum Baumarkt, auf dem Zettel stehen diverse Schrauben und Muttern, Farbe, Holzlasur und andere Kleinteile. Neuerdings begeistern mich Baumärkte auch immer mehr und ich stöbere mich durch Haken, Schrauben, Winkel und Scharniere. Zum Abschluss machen wir noch einen kurzen Halt bei Lidl und kaufen etwas Milch und Hummus.
Den Abend verbringen wir mit dem Zusägen des Nut-Feder-Holzes mit Hilfe der alten Verkleidungen, die als Schablone dienen. Vor dem Schlafen gehen wische ich die Bugkabine grob aus, lege die Polster hinein und schließlich Kissen und Bettdecken wieder hinauf. Das Laken hat derweil Pause, weil es zu aufwendig wäre. Morgens dann die umgekehrte Reihenfolge: Bettdecken und Kissen in einer großen Tüte verstauen, Polster rausräumen. Dieser Vorgang wiederholt sich jede Nacht, während wir in der Bugkabine werkeln. Ein Grund mehr, möglichst schnell fertig zu werden.
Heute wird das dünne Holz zurecht gesägt, das die Deckenverkleidung bilden soll. Nachdem es angepasst ist, streiche ich es weiß. Das Kiefernholz für die Wände wird nur lasiert und behält so sein natürliches Aussehen. Und es duftet so gut.
Am Abend sind die Wandverkleidungen tatsächlich angebracht und wir beide sind begeistert von dem Ergebnis. Es sieht einfach klasse aus und ich fühle mich wie in einem kleinen Schwedenhäuschen. Der große Teil der Deckenverkleidung hängt auch schon.
Fünfter Tag, heute wollen wir das Projekt abschließen. Noch einmal geben wir alles und fangen direkt in der Früh an zu werkeln. Zwei weitere Deckenverkleidungen müssen noch angepasst und gestrichen werden. Außerdem wollen wir (oder vor allem ich) den alten Schrank durch einen neuen ersetzen. Glücklicherweise können wir die alten Teile als Vorlagen verwenden und müssen nur hier und da etwas abändern.
Es ist mein erstes Projekt dieser Art und ich bin nervös, dass ich irgendwo einen Denkfehler mache und am Ende nichts zusammenpasst. Aber es nützt ja nichts, irgendwann muss ich mit dem Zurechtsägen anfangen. Während ich an dem Schrank bastele, baut Michi kurzerhand ein Regal für unser Fach mit dem Ölzeug.
Ich kann gar nicht mitzählen, wie oft ich zwischen Steg und Bugkabine hin und her renne. Ein Stück absägen oder abschleifen, probieren, ob es passt und wieder korrigieren. Langsam nehmen die einzelnen Teile Form an und Michi hilft mit dem Schleifen und Lasieren. Zum Ende kommt die Front dran. Vorsichtig säge ich die Öffnung hinaus und dann noch eine Tür zurecht. Nach einigen Korrekturen scheint alles zusammen zu passen und wir bauen die Teile ein.
Das Gefühl, diesen fertigen Schrank vor mir zu sehen, ist überwältigend. Das habe ich geplant und zurechtgesägt und angepasst. Und er ist etwas geworden. Wirklich, er sieht richtig gut aus. Michi ist auch begeistert. Während ich duschen gehe und mir weiße Farbe und Sägespäne vom ganzen Körper wasche, macht Michi im Boot sauber. Dann ist er dran mit duschen und ich räume auf und beziehe das frische Bett. Endlich wieder ein Bettlaken und kein Ausräumen morgen früh. Immer wieder bewundere ich unsere Arbeit. Ich kann kaum in Worte fassen, wie glücklich ich mit dem Ergebnis bin. Das war jede Minute Arbeit und jeden Tropfen Schweiß wert.