Natürlich wünsche ich niemandem, dass der Motor ausfällt oder etwas anderes Unangenehmes am Segelboot passiert. Trotzdem sind es genau diese Erlebnisse, die meinen so geliebten Weltumsegelungsgeschichten oder YouTube-Videos die Würze geben. Etwas geht schief und auf dem Weg zur Lösung des Problems erleben die Protagonisten spannende Geschichten.
Als ich um kurz nach Mitternacht höre, wie der Motor ausgeht, denke ich noch im Halbschlaf, dass wir nun vielleicht segeln. Vielleicht hatte der Wind zugenommen und ich war doch etwas eingeschlafen und hatte nicht mitbekommen, dass Michi die Segel gesetzt hatte. Mühsam schäle ich mich aus dem schwitzigen Bettzeug und klettere hinaus ins Cockpit. „Sag mal, ist gerade der Motor ausgegangen?“, frage ich etwas müde und glaube eigentlich nicht wirklich daran. „Ja“, antwortet Michi schlicht. Ich blicke hoch zum Großsegel, das immer noch ordentlich in die Persenning eingepackt ist. Er meint es ernst.
Ein Blick auf die Karte zeigt, dass wir nur noch drei Meilen von unserem geplanten Ankerplatz auf Ios entfernt sind. Ich frage: „Weißt du was passiert ist?“ „Ich schätze, dass der Diesel alle ist. Also der Tank ist nicht leer, aber vielleicht wird der Diesel nicht ganz unten angesaugt und der Rest im Tank kann so nicht verwendet werden.“ Passt ja, ich hatte mich vorhin auch schon gefragt, wie lange der Diesel noch reichen würde, nachdem das heute bisher eine reine Motorfahrt war.
Die Windanzeige präsentiert uns immerhin acht Knoten Wind, also setzen wir erst einmal die Segel. Leider existiert der vorhergesagte Nordwestwind nicht, stattdessen weht der Wind aus Süden. Der recht starke Schwell kommt jedoch noch immer aus nördlicher Richtung. So schaffen wir es nicht wirklich, die Pallini in Fahrt zu bringen. Jede Welle nimmt uns sprichwörtlich den Wind aus den Segeln und schlagende Segel sind die Folge. Während ich mit den Segeln und dem Kurs herumexperimentiere, brütet Michi drinnen über dem Motor.
Als der Wind schließlich nahezu einschläft, bergen wir die Segel wieder. Das Herumschlagen hilft niemandem und zerrt nur an unseren Nerven. Immerhin ist es mittlerweile zwei Uhr morgens und wir sind sowieso schon müde. In einem wahnwitzigen Anfall von Aktionismus montiert Michi unseren 2 PS Außenborder am Dingi und befestigt eine Leine am Bug. Dann versucht er uns zu ziehen. Angesichts der Tatsache, dass die Kühlwasserpumpe unseres Außenborders defekt ist, sodass wir ihn mit maximal halber Kraft verwenden können und wir starken Schwell von vorne haben, ist das wenig erfolgversprechend. Wir bewegen uns keinen Millimeter, dafür stirbt der kleine Außenborder immer wieder ab. Völlig durchnässt kommt Michi zurück an Bord, nicht unbedingt mit besserer Laune.
Wir lassen uns eine Weile durchschaukeln und überlegen, was zu tun ist. Plötzlich hat Michi die entscheidende Idee, die uns dann rettet. Mit einer unbenutzten Ölpumpe holen wir etwas von dem Diesel aus dem Tank und befüllen eine Plastikflasche damit. Aus diesem Ersatztank wird jetzt der Motor gefüttert und er springt tatsächlich nach wenigen Versuchen an. Doch das Vergnügen ist kurz, schnell ist die Flasche leer. Wie kann das sein? Der Motor hat einen Dieselrücklauf und dieser führt noch immer in unseren normalen Tank. So füllen wir die Flasche erneut mit der Pumpe und Michi legt den Rücklauf ebenfalls in die Flasche um.
Eine halbe Stunde später erreichen wir schließlich die lang ersehnte Bucht und lassen den Anker im Dunkeln fallen. Es gibt einen Schluck Rum auf unsere Rettung und dann fallen wir um vier Uhr morgens endlich völlig müde ins Bett.