Nach einer Woche auf Astypalea lässt der Meltemi endlich nach. An diesem Mittwoch wollen nicht nur wir aufbrechen, sondern ebenso die drei anderen Segelboote, mit denen wir uns den Steg geteilt haben. Mir wird bewusst, wie sehr ich mich nach Aufbruch sehne. Wir füllen noch einmal unser Wasser auf, putzen das Deck und Cockpit und dann lege ich ab. Oft drücke ich mich aus Angst, etwas falsch zu machen. Aber nicht heute. Ich gebe klar Anweisungen und fahre ein sauberes und durchdachtes Ablegemanöver, auf das ich wirklich stolz bin. Immerhin sind wir nur zu zweit auf dem Boot und wenn Michi am Bug die Leinenarbeit macht, bin ich an der Pinne wirklich auf mich allein gestellt.
Kurz darauf setzen wir die Segel und dann sind wir wirklich unterwegs, in Richtung einer neuen Insel. Wir steuern Anafi ein, eine kleine Insel im Südosten der Kykladen. Bisher habe ich mir nicht einmal Fotos angesehen, ich habe mich ausschließlich mit Ankerplätzen und dem Wetter beschäftigt. Je näher wir Anafi kommen, umso höher ragen die Felsen vor uns auf. Ganz oben auf der Spitze steht ein Kloster und trotzt scheinbar unbekümmert den starken Windböen. Die Küste von Anafi überrascht mich mit weichen Sandstränden und türkisem Wasser. Irgendwie hatte ich die Insel immer nur als praktischen Zwischenstopp gesehen, doch mir gefällt, was ich nun entdecke.
Der Anker fällt unterhalb der einzigen Stadt der Insel vor einem traumhaften Strand. Sofort bereiten wir unser Dingi vor und ziehen uns an – wir wollen jetzt hoch in die Stadt gehen und uns dort umsehen. Über eine Strecke von drei Kilometern schlängelt sich die Straße bis auf 250 Höhenmeter hinauf. Es ist warm und natürlich haben wir nichts zum Trinken eingepackt. Doch der Weg lohnt sich, die Aussicht ist traumhaft.
Die Chora (Altstadt) von Anafi begegnet uns mit weiß getünchten Häusern, die zwischen einem Labyrinth aus Treppen am Hang gebaut sind. Es gibt wenige Geschäfte, nur einige Restaurants und Wohnhäuser. Der Massentourismus ist hier noch nicht angekommen. Auf dem Platz vor dem Rathaus halten sich überwiegend Griechen auf. Ich genieße diese ursprüngliche Atmosphäre. Nach einem guten Abendessen klettern wir zu einer Kirche hinauf, die den höchsten Punkt der Stadt bildet. Von dort beobachten wir die Sonne, wie sie immer tiefer sinkt und sich leuchtend rot verfärbt. Das ist tatsächlich der erste Sonnenuntergang, den wir uns bewusst ansehen, seit wir mit der Pallini unterwegs sind.
Bevor es im Dunkeln unter dem Sternenhimmel zurück zur Pallini geht, genießen wir noch einen Cocktail mit Aussicht über die Stadt. Der Wind hat ordentlich aufgefrischt, während wir an Land waren. Das bekommen wir zurück auf Pallini zu spüren. Die Falle schlagen gegen den Mast und veranstalten einen höllischen Lärm, während das Boot sich an der Ankerkette hin- und herdreht. Der Wind ist allerdings nicht kühlend, sondern eher wie ein warmer Fön. Besonders viel Schlaf bekommen wir in dieser Nacht nicht.
Am nächsten Morgen erkunden wir mit Schnorchel und Flossen die Bucht. Das Wasser wirkt wie in einem Pool, so blau und türkis schimmert es. Am Grund liegt weißer Sand, der von der Wasserbewegung in Wellenform gedrückt wird. Bunte Fische knabbern an den mit Algen bewachsenen Steinen und schwimmen um uns herum. Als ich völlig ausgekühlt bin, lege ich mich auf den heißen Sand und schließe die Augen. Mir gefällt es hier wirklich!
Fotoalbum Anafi
Zurück am Boot heißt es Anker hoch und Segel setzen. Während Michi im Salon am Laptop arbeitet, bewältige ich die Manöver völlig allein und bin erneut stolz auf mich. Unser nächstes Ziel sorgt bei mir für gemischte Gefühle. Santorini ist eine Insel, deren Namen fast jeder kennt und die sicher einen Stopp wert ist. Aber andererseits befürchte ich, dass sie völlig überlaufen ist. Ich beschließe, mich überraschen zu lassen und Santorini offen zu begegnen.
Wir ankern im Süden der Insel und verbringen den Abend an Bord. Am nächsten Morgen holen wir unser reserviertes Quad ab, mit dem wir die Insel abfahren wollen. Heute sitze ich am Steuer – und stehe einer größeren Herausforderung als gedacht gegenüber. Mit den Händen Gas geben und bremsen ist doch etwas anderes als Autofahren. Im Laufe des Tages werden das Quad und ich jedoch immer bessere Freunde und ich genieße die Freiheit.
Am Vormittag besichtigen wir Oia, den bekanntesten Ort auf Santorini. Zusammen mit vielen anderen Menschen schieben wir uns bei weit über 30 Grad durch die engen Gassen. Teure Restaurants, Kunstgalerien und Schmuckgeschäfte säumen unseren Weg. Der Ausblick ist trotzdem spektakulär. Blau heben sich die kleinen Pools von den weißen Terrassen der am Hang und teilweise in den Hang gebauten Häuser ab. Santorini bildet einen Halbmond um den überspülten Vulkankrater – die Caldera – und hat eine entsprechend steil abfallende Küstenlinie.
Abends geben wir glücklich und erschöpft das Quad ab, das uns gute Dienste geleistet hat. Wir haben viel von der Insel gesehen und uns ein eigenes Bild gemacht. Es gibt wunderschöne Ausblicke, rote Felsküsten und jede Menge Weinreben, aber der Großteil der Insel wirkt auf den Luxustourismus ausgelegt und ich bin nicht traurig, als wir den Anker lichten und in den Sonnenuntergang hineinfahren.